Können wir eine Welt ohne Geld erreichen?

Geld regiert die Welt haben wir schon alle gehört, und viele von uns haben diesen Spruch auch auf der eigenen Haut gespürt. Sobald man den Schulabschluss hat und sich selbstständig machen soll, beginnt das Ringen um mehr Geld. Sogar der Ausdruck „sich selbstständig machen“ sieht voraus, dass man finanziell nicht mehr von anderen abhängig ist. Wie tief sitzt das Bedürfnis nach mehr Geld in uns?

Die Rolle vom Geld in unserem Leben

Das Geld hat seinen Weg in jeden Bereich unseres Lebens gefunden. Jeder Tag ist eine neue Chance, Geld zu verdienen. Wir leben nicht mehr in einer Welt, wo wir etwas geben und etwas anderes bekommen. Wir leben in einer Welt, wo wir etwas verkaufen und etwas anderes kaufen. Alles Mögliche lässt sich kaufen, und inzwischen auch einige Menschen. Alles hat seinen Preis.

Um zu mehr Geld zu kommen, verkaufen wir uns selbst. Wir möchten keine Zeit mehr mit anderen verbringen, wir möchten unsere Zeit verkaufen. Unser Wissen möchten wir nicht mit anderen teilen, sondern daran verdienen. Wir kaufen das Geld, indem wir uns selbst für so viel Geld wie möglich verkaufen. Inzwischen sind wir für etwas mehr Geld bereit, die bösesten Sachen zu tun, unsere engsten Freunde zu betrügen, andere zu bestehlen. Wir sind uns sogar nicht mehr darüber im Klaren, wer unsere wahren Freunde sind, und wer mit uns nur deswegen befreundet ist, weil wir viel Geld haben.

Das ist nicht nur im 21. Jahrhundert so. Obwohl Geld eine revolutionäre Erfindung der Menschheit ist und das Leben in großem Maße erleichtert, wird es immer wieder mit Bösem in Verbindung gebracht. Tatsache ist, es verändert die Leute. Darüber hat auch William Shakespeare im 17. Jahrhundert in seiner Tragödie Timon von Athen geschrieben. Es geht nämlich um das Schicksal eines einst reichen und angesehenen Menschen, der plötzlich seinen ganzen Reichtum verloren hat – und damit auch alle seine Freunde. Allerdings hat dieses Phänomen keine Zeit bis jetzt so stark geprägt, wie die heutige Zeit des Kapitalismus.

Ist das Geld von der Welt wegzudenken?

Eine Welt ohne Geld, wo wir bedingungslos lieben und wahre Freundschaften pflegen, wo wir beim Geben nicht sofort etwas im Gegenzug erwarten, wo wir unsere Zeit nicht in Rechnung stellen – das alles klingt eher als eine Utopie, denn als etwas Erfüllbares.

Nichtsdestotrotz sind wir uns immer noch dessen bewusst, dass die besten Beziehungen und Freundschaften auf Gründen beruhen, die größer sind als Geld. Unsere tiefsten und schönsten Erinnerungen haben wenig mit Geld zu tun. Wir sind an dem Punkt gelangt, wo es alles Materielle im Überfluss gibt. Vielleicht sind wir dann imstande, dem Geld seinen emotionalen Wert zu entnehmen. Nicht mehr zu arbeiten, um Geld zu verdienen, sondern um menschlicher zu werden, um anderen zu helfen. Vielleicht sind wir an dem Punkt gelangt, wo wir endlich begreifen werden, dass das Geld nicht mehr der einzige Wertanzeiger ist, sondern lediglich eines der vielen Mitteln, unsere Dankbarkeit und Großzügigkeit gegenüber anderen zu äußern. Erst wenn wir das verstehen, wird eine Welt ohne Geld vielleicht möglich sein.